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Sofie und Frau Meyer

Mail erhalten Juli 2003:

Hallo, zu diesem Thema kann ich ein wenig beitragen.
Unsere Teilalbino-Rabenkrähe "Sofie" hat fast 2 Jahre lang bei uns in
der Küche gewohnt. Sie flog allerdings völlig frei und benutzte unsere
Küche in erster Linie nur zum Übernachten oder Ausruhen. Und
Leckerbissen, wie Käse, Mehlwürmer und Katzenfutter hat sie sich gerne
dort abgeholt. Heuer, am 28. Februar 2003, hat sie uns verlassen, da die
Angriffe des Rabenpärchens, das unseren Garten seit vielen Jahren als
Revier besitzt, zu massiv wurden. Außerdem war "Sofie" als zweijährige
Rabenkrähe nun erwachsen. Ich hoffe insgeheim, daß sie sich nun im
Sommer und Herbst, nachdem die Brut- und Aufzuchtzeit der Revierhalter
vorbei ist, wieder daran erinnert, wo es guten Käse und Mehlwürmer gibt.
Ihr Lieblingssitzplatz - eine Stange über der Haustüre - ist noch immer
für die eingerichtet.
Doch nun zu Sofie's Rolle als Teilalbino:
Sie hatte von Geburt an ein gleichmäßiges Muster an weißen und schwarzen
Federn in beiden Flügeln. Die weißen Federn waren ziemlich brüchig und
waren nicht so dicht wie die schwarzen Federn. Daher mußte Sofie beim
Fliegen mehr flattern als normale Rabenkrähen. Und man hörte einen
leichten Pfeifton. Der Schwanz war zwar nicht weiß, aber leicht
bräunlich-grau und wesentlich kürzer als bei den "normalen" Rabenkrähen.
Und ddie Schwanzfedern waren auch ziemlich brüchig und ausgefranst.
So, und nun die Sensation: Als Sofie im letzten Jahr mauserte und Stück
für Stück auch ihre weißen Federn verlor, wuchsen ihr ganz normale
schwarze Federn nach. Sie war schließlich im Aussehen nur noch schwer
von den anderen "schwarzen" Rabenkrähen zu unterscheiden. Insgesamt war
sie ein wenig zierlicher und die Beine waren kürzer. Sie konnte nicht so
langbeinig herummarschieren, wie die anderen Krähen. Und an ihrem Ruf,
an ihrer Sitzhaltung und ihrem Flugbild konnten wir sie noch gut
erkennen.
Teilalbino-Rabenkrähe Sofie nach der Mauser!
In einem zweiten Rabenkrähen-Revier, das unmittelbar an unseren Garten
anschließt, hat im vorigen Jahr und auch heuer ein Rabenpärchen
gebrütet, bei dem das Weibchen ebenfalls weiße Flecken in den Flügeln
hat.

Und seit Ende Mai wohnt bei uns (nachts in der Küche, tagsüber im
Garten) die junge Rabenkrähe "Frau Meyer". Sie stammt aus Kochel am See
und hat noch mehr weiße Federn als Sofie hatte. Das Muster ist ebenfalls
anders als bei Sofie. Bei Sofie waren die weißen Federn durchgehend weiß
mit einem leicht bräunlichen Saum. Bei Frau Meyer sind die Spitzen der
Federn schwarz, dann kommt ein längerer weißer Abschnitt und dann sind
sie wieder schwarz. Und der Schwanz ist nicht bräunlich, wie bei Sofie,
sondern normal schwarz. Die Enden der Schwanzfedern sind normal. Dann
kommt ein ca. 3 cm langer Abschnitt, der sehr brüchig und ausgefranst
ist. Der Rest des Schwanzes scheint wieder ganz normal zu werden. Die
Rabenkrähe "Frau Meyer" ist aber sehr zierlich und im Vergleich zu
gleichaltrigen Krähen noch recht unterentwickelt. Sie ist jedoch sehr
munter und unternehmungslustig. Wenn sie einmal fliegen kann, wird sie
es zunächst sicherlich schwer haben mit der normalentwickelten
Rabenkonkurrenz. Ich vermute, daß sie wieder, wie Sofie, mindestens ein
Jahr lang unsere Hilfe braucht und auch unsere Küche als Zufluchtstätte
haben muß. Gespannt bin ich, wie sie nächstes Jahr nach der Mauser
aussehen wird!

Mit freundlichen Grüßen aus Benediktbeuern,

O.G.


Mail erhalten 24. April 2005
 

Hallo,

heute will ich ein wenig darüber berichten, wie es mit unserer Teilalbino-Rabenkrähe "Frau Meyer" weitergegangen ist. Sie wohnte seit Ende Mai 2003 bei uns und entwickelte sich auch ganz gut und konnte in ihrer besten Zeit sogar 15 – 20 Meter weit ohne Zwischenlandung fliege. An ein Entlassen in die grenzenlose Rabenfreiheit war aber bei diesen Flugkünsten nicht zu denken. Sie wäre wahrscheinlich in kurzer Zeit ums Leben gekommen. Und dann ging es auch mit dem Fliegen bald wieder bergab. Die weißen Federn waren viel brüchiger als bei ihrer Teilalbino-Vorgängerin "Sofie" und im Herbst 2003 waren sie schon total zerschlissen und ausgefranst. "Frau Meyer" schaffte noch höchstens 2 Meter und hatte dann schon Bodenkontakt. Die Moral aber war ungebrochen. Einige Zeit schlug sie sich mit Rachenwürmern herum, denen wir aber mit Hilfe eines Tierarztes erfolgreich den Garaus machen konnten. Um weitere Ansteckung zu vermeiden, versetzte ich alle 2 bis 3 Tage ihre Voliere auf ein neues unbenütztes Stück Grasfläche in unserem Garten. Diese Voliere war nur ihr Tagquartier. Jede Nacht holten wir sie herein in unsere Küche. Wir wollten nicht riskieren, daß sie ein Opfer der bei uns zahlreich lebenden Steinmarder wird.

Frau Meyer war ein ausgesprochener Bade-Fan. Aber nur in ganz frischem Wasser. Da machte sie regelmäßig und mehrmals täglich 4 – 6 Badedurchgänge. Ihr Lieblingspool war aber das Spülbecken in unserer Küche. Sobald Wasser eingelassen wurde, konnte sie es kaum mehr erwarten, sich in die Fluten zu stürzen. Anschließend sah es wegen ihres wilden Geplätscheres auf dem Küchenboden immer so aus, als ob ein Kübel Wasser umgestoßen worden wäre.

Wir ernährten sie möglichst abwechslungsreich mit Mehlwürmern, eigenhändig und auch von den Nachbarn gefangenen Maulwurfsgrillen, Heuschrecken, Raupen und Käfern, Walnüssen und Erdnüssen, Hähnchenherzen, Hackfleisch, gekochten Hühnerflügeln, Haferflocken, Kirschen und Weintrauben, Katzenfutter, ganzen oder zerbröselten Schneckenhäusern und Eierschalen, Weißbrotstückchen usw. Auch das Futter für die Goldfische schätzte sie sehr. Beim gemeinsamen Frühstück in der Küche holte sie sich zuerst ein paar Schnäbel voll Joghurt, dann riß sie aus der Roggensemmel meiner Frau die Molle heraus, weichte sie ein und schlang sie dann hastig hinunter. Von meiner Vollkornsemmel schabte sie geschickt mit dem Schnabel die Butterauflage herunter. Eine Leibspeise war Brombeer-Gelee und auch reifen Birnen konnte sie nicht widerstehen. Sehr bald fand sie heraus, daß man mit einem kräftigen Schnabelhieb den Deckel von der Butterdose wegschubsen kann. Als Belohnung gönnte sie sich dann regelmäßig 3 Schnäbel voll Butter.

Als im Winter 2003/2004 der erste Schnee fiel, bekam sie es mit der Angst zu tun. Sie betrat bis zum Frühjahr kein einziges Mal irgendeine Stelle in ihrer Voliere, auf der Schnee lag!

Endlich im Juni 2004 begann "Frau Meyer" allmählich, sich ein neues Federnkleid zuzulegen. Und siehe da, alle abgeworfenen weißen Federn wurden durch normale schwarze Federn ersetzt. So verwandelte sie sich schließlich zu einer ganz normalen Rabenkrähe und lernte vorewiegend in unserer Küche auch das richtige Fliegen. Im September 2004 war es dann soweit, daß wir sie in die Freiheit entlassen konnten. Das heißt, sie hat sich eigentlich selbst entlassen, indem sie meiner Frau beim abendlichen Transport von der Voliere in die Küche entwischte. Zwei Tage lang blieb "Frau Meyer" verschwunden, doch dann trieb sie anscheinend der Hunger wieder in unseren Garten. Sie hatte ja noch nicht gelernt, selbständig auf Futtersuche zu gehen und erinnerte sich aber offenbar, wo die unerschöpflichen Nahrungsquellen sind. Und so kam sie dann regelmäßig zum Fressen und zum Baden in den Garten und besuchte uns gelegentlich während des Tages durch das offene Fenster in der Küche. Ca. 1 – 2 mal pro Woche übernachtete sie auch in der Küche. Wenn Sie mich sah, war ihr bevorzugter Landeplatz stets mein Kopf.

Wir hatten 2004 einen recht frühen Winter. Am 7. oder 8. November begann es schon zu schneien und siehe da, "Frau Meyer" hatte nun überhaupt keine Angst mehr vor dem Schnee. Sie liebte ihn geradezu, durchpflügte ihn im Garten oder ließ sich auf dem schrägen Dach im Schnee herunterkullern. Sie machte nun größere Ausflüge und war oft den halben Tag nicht da. Da war sie meistens mit einer Schar von 10 "wilden" Rabenkrähen unterwegs, die sich von ca. Oktober bis Ende Februar viel in unserem Garten und auf den großen Bäumen in unserer Nachbarschaft aufhielten. Sie wurde von ihrer Verwandtschaft geduldet und akzeptiert. Nur wenn es ums Fressen ging, behandelten sie sie weniger gut und verjagten sie meistens. Einmal flog sie auf der Flucht in ein Gitter und verletzte sich am rechten Flügel. Sie konnte dann zwar noch fliegen, ließ aber eine Woche lang den Flügel bis zum Boden hängen. Nur ganz langsam besserte sich dieser Zustand und heilte anscheinend nicht ganz aus, denn sie ließ auch später den rechten Flügel immer ein bißchen hängen. Wenn die Horde der 10 Rabenkrähen wieder abgezogen war, kam "Frau Meyer" meistens nochmal zurück und holte sich ihre Extraration Futter ab. Sehr regelmäßig aber und ziemlich genau um 15.00 h saß "Frau Meyer" alleine auf einem Zwetschgenbaum im Garten und wartete darauf, daß sie vor Einbruch der Dunkelheit noch etwas zu fressen bekam. Und sie kam dann auch häufig gerne mit mir zum Baden und Übernachten in die Küche. Das letzte Mal übernachtete sie in der Silvesternacht 2004/2005 auf der Lehne "ihres" Küchenstuhls. Da mußten wir die Fenster nach außen hermetisch abdunkeln, da sie schreckliche Angst bekam bei der Knallerei und den Silvesterraketen. Sie wurde ganz dünn und ihr Hals immer länger.

Am 2. und 3. Januar war ich mit meiner Frau beim Einkaufen länger weg. Wir kamen stets erst nach Einbruch der Dunkelheit heim und so wartete "Frau Meyer" an diesen Tagen vergeblich auf uns. Und sie ist auch nie mehr gekommen. Ich rief anfangs jeden Tag in der Frühe, am Vormittag, am Mittag und am Nachmittag nach ihr und stellte Futter für sie raus. Sie war und blieb verschwunden, nur die anderen 10 Rabenkrähen waren regelmäßig da. Dann wurde der Winter noch strenger. Wir hatten bis in den März hinein eine ständig geschlossene Schneedecke bis zu 75 cm und oft Frost zwischen - 12 und – 18 ° C. So war ich überzeugt, daß unsere "Frau Meyer", um die wir uns mehr als 1 ½ Jahre lang intensivst gekümmert hatten, nach kurzer Zeit der Freiheit leider ums Leben gekommen ist.

Doch nun beginnt das Märchen: Ende März, als das hier ansässige Rabenkrähenpaar alle anderen Krähen schon aus ihrem Revier vertrieben hatte, sah ich eines Tages eine Krähe im Garten, die den rechten Flügel ein wenig hängen ließ. Als sie am nächsten Vormittag wieder im Garten erschien, kam in mir ein leiser Verdacht auf. So ging ich am Mittag in den Garten, stellte ein Schälchen Katzenfutter auf den gewohnten Futterplatz und rief ein paar Mal laut "Frau Meyer, Frau Meyer!". Und siehe da, postwendend kam die Krähe mit dem hängenden rechten Flügel und machte sich über das Katzenfutter her. Ich beobachtete sie genau und stellte fest, daß sie auch abgesehen von dem hängenden Flügel in ihrem ganzen Benehmen unverkennbar unsere "Frau Meyer" ist. Da es ein schöner warmer Tag war, setzte ich mich mit meiner Frau zum Kaffeetrinken an unseren Gartenteich. Und sofort kam auch die "Frau Meyer" und setzte sich über uns auf den Ast einer Birke. Sie suchte und genoß ganz offensichtlich unsere Gesellschaft und legte sich schließlich ganz entspannt keine 6 Meter von uns entfernt auf den Ast. Ich versorgte sie natürlich von da an wieder regelmäßig und sie kam auch prompt, sobald sie mich sah oder rufen hörte. Auf den Kopf oder die Hand kam sie nicht mehr und eine Distanz von ca. 5 Metern durfte ich nicht unterschreiten. Sie fraß und schluckte die ersten Schnäbel voll immer hinunter, füllte sich dann noch den Kehlsack und flog damit weg, immer in dieselbe Richtung. Schließlich fand ich heraus, daß sie regelmäßig eine hohe Linde gleich in unserer Nachbarschft ansteuert. Ich bewaffnete mich mit dem Fernglas und entdeckte ziemlich weit oben in einer Astgabel ein Nest. Und als "Frau Meyer" das nächste Mal mit einer Portion Futter im Schnabel auf die Linde flog, beobachtete ich sie ganz genau. Sie hüpfte von Ast zu Ast bis zum Nest und siehe da, es erhob sich der Kopf einer anderen Rabenkrähe aus dem Nest! Damit war mir klar, daß wir nicht eine "Frau Meyer", sondern einen "Herrn Meyer" großgezogen haben. Der Schlingel hat sich in der Zeit seiner Abwesenheit seit Anfang Januar mit einer hübschen Rabenkrähen-Dame vermählt, hat ein eigenes Revier erobert und ganz heimlich in unmittelbarer Nachbarschaft zu uns und mit direktem Blick in unseren Garten ein Nest gebaut! Seine Frau sitzt, seit ich ihn entdeckt habe, im Nest und er versorgt sie laufend mit Futter. Ich vermute, daß ich inzwischen vom Rabenvater schon zum mehrfachen Rabengroßvater aufgestiegen bin.

"Herr Meyer" ist ein sehr besorgter Ehemann und paßt höllisch auf, daß seinem Nest und seiner Frau nichts passiert. Sobald eine fremde Krähe auch nur in die Nähe seiner Linde und seines Nestes kommt, startet er und verjagt sie. Vor ein paar Tagen hatte er in einem Baum unmittelbar vor meinem Bürofenster einen erbitterten Kampf mit einem Turmfalken zu bestehen. Er hat ihn vertrieben und ihn bei der Verfolgung noch über die Grenzen seines Reviers hinaus im Flug heftig attackiert.

Aus einer anfangs sehr mickrigen Teilalbino-Rabenkrähe ist also nach nur 2 Jahren schon ein völlig normaler und äußerst tüchtiger Rabenkrähen-Ehemann geworden!

Mit freundlichen Grüßen aus Benediktbeuern,

O.G.

P.S.: Die Rabenkrähen-Dame ("Fleckige") mit den weißen Flecken auf den Flügeln, die ich auch schon seit 2002 ständig beobachte und die einen anderen Teil unseres Gartens mit ihrem Ehemann ("Dicker Max") als Revier besitzt, behält auch nach der Mauser ihre weißen Flecken bei. Nur das Muster ändert sich. Die weißen Flecken in ihrem Gefieder können keinesfalls auf Hunger zurückzuführen sein. Sie lebt hier, was das Nahrungsangebot betrifft, wie im Paradies oder wie die Made im Speck! Sie ist sehr zutraulich, ich kann mich ihr im Winter regelmäßig bis auf fast 1 Meter nähern. Sie ist zur Zeit auch fest mit dem Brüten beschäftigt und der "Dicke Max" versorgt sie. Mit diesem Rabenkrähenpärchen kam übrigens der "Herr Meyer" immer sehr gut aus, als er noch "Frau Meyer" hieß.